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"Die Kirche kann selbstbewusster sein"

Bilder für die Kirche finden – diese Herausforderung hat die Journalistin Helene Pawlitzki angenommen. Sie hat Imagefilme für den Fachbereich Seelsorge und Beratung unter der Leitung von Pfarrer Matthias Mißfeldt gedreht. Im Interview spricht Sie über zentrale Botschaften, Bildsprache – und die Frage, ob Kirche Werbung machen sollte.

 

Helene Pawlitzki

 

Wenn Sie an Kirche denken, gibt es ein Bild, das in Ihrem Kopf auftaucht?

Ich bin in einer Kirche aufgewachsen. Mein Großvater war Pfarrer, meine Mutter war Küsterin, mein Vater Organist und wir haben in Hamburg über dem Schiff der Jerusalem-Kirche gewohnt. Ich war also jeden Tag dort: eine ganz schöne, kleine Kirche in Backstein-Optik und mit grünem Kupferdach. Das ist mein Bild, wenn ich an Kirche denke.

 

Sie sind Journalistin, machen aber auch für unterschiedliche Auftraggeber PR: Ist Kirche ein besonderer Auftraggeber?

Ja. Ich wittere bei keinem meiner Auftraggeber große ethische Probleme, aber bei der Kirche habe ich am allerwenigsten Bauchschmerzen. Das ist eine wichtige Institution, bei der ich als Christin auch persönlich hinter der Botschaft stehe - im Grunde Werbung für eine richtig gute Sache. Gleichzeitig weiß ich durch meine Sozialisation, wie Pfarrerinnen und Pfarrer ticken, was sie sich wünschen, was ihnen wichtig ist und welche Bildmöglichkeiten es gibt. Da bin ich von vorne herein näher dran als an anderen PR-Themen.

 

Die Kirche will überzeugen statt zu überreden

 

Sind die Ansprüche bzw. die Stolperfallen andere als bei einem reinen Wirtschaftsunternehmen?

Ja. Im Vergleich zu einem Wirtschaftsunternehmen ist die Kirche immer noch relativ schüchtern, was Imagepflege und Öffentlichkeitsarbeit angeht. Ein Wirtschaftsunternehmen hat eine klare ökonomische Agenda: Die Ziele sind relativ eindimensional und dementsprechend einfach ist es auch, Botschaften zu finden: "Kauf mich!" Für viele Mitarbeiter der Kirche dagegen ist Werbung noch ein bisschen „Igitt!“. Die Bereitschaft zu werben ist zwar grundsätzlich da. Aber eine manipulative Form von Werbung, also Botschaften in die Köpfe anderer zu pflanzen, lehnt die Kirche ab. Sie will überzeugen statt zu überreden. Das macht die Aufgabe natürlich komplexer.

 

Ein Beispiel?

Im Bereich der Seelsorge zum Beispiel gibt es Angebote, die zwar von der Kirche finanziert werden, die sich aber längst nicht nur an Christen wenden. Die Telefonseelsorge will eindeutig nicht missionieren – dort können alle Menschen zu allen Themen anrufen. Da ist natürlich die Frage: Wie christlich wird’s? Wie viel Kirche kommt in den Imagefilm?

 

 Es geht nicht um Konsum, sondern um Information

 

Sind die Filme denn trotzdem Werbung?

Ja, es wird geworben. Aber es wird nicht mit psychologischen Tricks oder mit Reizworten gearbeitet. Es muss nicht immer alles neu, bunter, besser sein. Die Kirche will sich nicht anbiedern. Wir werben darum, dass etwas angenommen wird – nämlich seelsorgerische Hilfe. Wir werben aber auch darum, dass etwas gegeben wird – ehrenamtliche Mitarbeit oder finanzielle Unterstützung. Und wir informieren über ein Selbstbild: Was sind das für Menschen in der Seelsorge und was tun sie? Letztlich geht es also nicht um Konsum, sondern um Teilnahme und Information.

 

Unter der Prämisse zu überzeugen, nicht zu überreden: Auf welche Botschaften haben Sie sich mit Herrn Mißfeldt für die Filme geeinigt?

Das war für jeden Film sehr verschieden. Bei vielen ging es darum, zu zeigen, dass Kirche offen, kommunikativ und nah an den Menschen ist. Das oberste Ziel der Seelsorge ist es, den Menschen zu dienen und zu helfen. Die Herausforderung war, das im Bild umzusetzen – zumal das Reden meist im Mittelpunkt steht. Allerdings haben wir festgestellt, dass es auch oft um Berührung geht. Zum Beispiel bei der Altenheimseelsorge: Dort gibt es viele Menschen mit Demenzerkrankungen, mit denen man nicht mehr über theologische Inhalte reden kann. Warum auch? Viel schöner ist es, wenn der Pfarrer oder die Pfarrerin bei ihnen sitzt, ihnen die Hand reicht oder sie auf die Schulter legt. So etwas zeigen wir. Die Botschaft dabei war: Die Distanz, die oft im säkularen Alltag zwischen den Menschen herrscht, gibt es bei Seelsorge nicht. Dort geht es darum, mutig zu sein, auch auf Seiten der Pfarrer. Sie besuchen und berühren Menschen, die nicht mehr besucht und berührt werden. Sie schenken ihnen Nähe.

 

Man kann fast alles im Film ausdrücken

 

Glauben Sie, dass das Medium Film für diese Botschaften besonders geeignet ist?

Film ist ein emotionales Medium: Bilder wirken ganz anders als Worte, viel unmittelbarer. Farbe, Licht, Bewegung, Dynamik spielen eine Rolle. Die entscheidende Frage ist: Wie kann ich die Botschaft übersetzen? Ich glaube, man kann fast alles auch im Film ausdrücken, wenn man sich Mühe gibt.

Mit welcher filmischen Sprache haben Sie das getan?

Das ist bei jedem Film anders, weil die auch sehr unterschiedlich sind. Bei der Notfallseelsorge zum Beispiel habe ich mit den Pfarrern und den Ehrenamtlichen über deren Rolle gesprochen: Sie kommen von außen in sehr wuselige, chaotische, stressige Situationen herein und müssen den ruhenden Pol bilden. Deswegen haben wir mit Zeitlupe gearbeitet: Für die Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Unfallopfer oder Angehörigen läuft alles sehr schnell und hektisch ab, sie können die Situation kaum erfassen – aber die Seelsorger versuchen, für sie eine Art Zeitlupe zu schaffen, in der man mehr kann, als nur zu reagieren. In der Gehörlosenseelsorge hingegen haben wir uns einen Gebärden-Song ausgesucht,  „Gott gebärdet gern“, bei dem alle im Chor dieselben Gebärden machen. Wir haben uns verschiedene Gruppen gesucht, die alle dieses Lied gebärden. Da ging es darum zu zeigen: Die Gehörlosen finden durch die Seelsorge-Angebote, was ihnen im Alltag oft fehlt – Kommunikation, gute Laune, Menschen, mit denen sie Spaß haben können.

 

Sie hätten Dokumentationen drehen können, in denen die verschiedenen Bereiche einfach erklärt werden. Stattdessen haben Sie sich in den Filmen stark auf die Emotionen fokussiert – warum?

Die Filme sollten möglichst kurz sein und einen Eindruck von der Arbeit vermitteln – auch für jemanden, der noch nie mit dem Thema zu tun hatte. Harte Fakten transportieren sich besser über Texte, dafür ist ein kurzer Film zu flüchtig. Natürlich lassen sich die Prinzipien der Seelsorge – für jeden in jeder Lebenslage, von Geburt bis Tod, da zu sein – auch aufschreiben. Aber wenn man sie zeigt, wirkt das viel besser. Das Gute ist, dass wir auf der Website der Seelsorge einfach beides kombinieren können.

 

Gottesdienst würde nicht als Film funktionieren

 

Hat die Kirche, die ja viele emotionale Gehalte bietet, also bisher die Chance verpasst, die solche Filme bieten?

Schwer zu sagen. Gottesdienst würde nicht als Film funktionieren – Gottesdienst heißt ja, wenn zwei oder drei zusammenkommen, dann bin ich mitten unter Euch. Filme guckt man dagegen meistens alleine. Aber wenn man dann zu Hause vor dem Computer sitzt und unsere Filme anschaut, dann wird man hoffentlich motiviert, zusammenzukommen – im Gottesdienst oder in der Seelsorge – und gemeinsam etwas Gutes zu tun. Die Filme sollen dem Zuschauer das Gefühl geben, dass es dafür einen Ansprechpartner gibt, den man ohne große Hürden erreichen kann. Dieses Versprechen muss man dann allerdings auch einlösen.

 

Gibt es visuelle Codes, die wichtig sind, wenn man Filme für die Kirche dreht?

Mir fallen jedenfalls keine Bilder ein, die zwingend in jedem Film für oder über die Kirche vorkommen  müssen – und es ist auch niemand an mich herangetreten und hat mir welche nahegelegt. Natürlich gibt es Bilder, die sich besonders gut eignen – und natürlich muss man genau dann aufpassen, nicht auf Klischees reinzufallen. Wir haben zum Beispiel sehr häufig Pfarrer gefilmt, die den Segen austeilen – und immer, wenn sie das Kreuz mit den Händen geschlagen haben, habe ich zu Lukas, dem Kameramann gesagt: "Du weißt schon – Hände, nah!" Das kam also mehrfach vor und ist auch einfach ein wunderbares Bild. Überhaupt, Hände: begrüßen, berühren, segnen, den Altarkelch  halten, eine Kerze anzünden – das kommt immer wieder vor.

 

Interessant daran ist: Hände verbindet man unmittelbar mit Nähe – während Kirche von einigen Menschen als weit weg empfunden wird. Ist das Bild der Hände also das zentrale, um diese Botschaft der Offenheit zu transportieren?

In der Seelsorge hat das sehr gut funktioniert, weil es viele Anlässe gab, genau das zu filmen. Das passiert dort wirklich. Aber ich gebe zu, dass Kirche als große Institution insgesamt – in der inneren Auffassung, in der Art, wie sie mit Themen umgeht und öffentlich kommuniziert – für manche Menschen weiter weg gerückt ist. Und es gibt Bereiche, wo diese Hände auch im metaphorischen Sinne nicht stattfinden – aber das kann man auch nicht überall erwarten. Was ich mir wünschen würde, ist, dass es der Kirche gelingt zu kommunizieren: Das hier ist keine Einbahnstraße. Es sind nicht nur die Hände der Kirche, die sich zu den Menschen ausstrecken – da muss auch etwas zurückkommen. Wenn ich möchte, dass sich jemand bei Gott für mein Seelenheil einsetzt, muss ich auch etwas dafür tun. Ich finde, die Kirche kann da selbstbewusster sein und sagen: Meine Hände sind zwar ausgestreckt, aber du kriegst die jetzt nicht, wenn und weil du sie gerade dringend brauchst, sondern dann, wenn du glaubst und dein Herz Jesus öffnest.

 

Die Menschen bewegen sich von der Kirche weg

 

Das ist interessant: Man könnte ja auch den Eindruck haben, die Kirche bewege sich von den Menschen weg – Sie sprechen von der Gegenbewegung.

Weil ich den umgekehrten Eindruck habe, dass nämlich sich die Menschen von der Kirche weg bewegen. Ich sehe zumindest in meinem persönlichen Umfeld, dass Gott und Kirche keine große Rolle mehr spielen. Natürlich könnte man mal darüber diskutieren, ob sonntagmorgens noch die richtige Zeit für einen Gottesdienst ist. Die Tatsache ist: Das Angebot ist da, die Hände sind ausgestreckt – und wenn man das haben will, muss man nur hingehen.

 

Aber warum sollte die Kirche sich dann in den sozialen Medien engagieren: Nimmt sie mit den Filmen nicht doch eher eine Haltung ein, die den Menschen mehr hinterherläuft?

Nein, so würde ich das nicht sehen. Die Filme sind – wie der Gottesdienst – ein Angebot für diejenigen, die sich interessieren. Die Kirche sorgt dafür, dass diese Angebote stattfinden. Auf "Play" klicken muss man schon selbst. Viele der Zuschauer werden den Film auf der Website des Fachbereichs Seelsorge und Beratung sehen oder auf einer Videoplattform, weil sie aktiv danach gesucht haben. Andere werden sie vielleicht in den sozialen Medien präsentiert bekommen. Aber auch die sind ein wichtiger Kommunikationskanal, besonders für jüngere Menschen, und gerade keine Einbahnstraße. Da geht es um Diskussion, ums Liken und Teilen. Wer weiß? Vielleicht ist Gott ja auch dann mitten unter uns, wenn wir auf Facebook ernsthaft über unseren Glauben diskutieren? Für die Kirche kann das allerdings nur der erste Schritt sein. Das Endziel ist nicht die Diskussion auf Facebook – sondern weiterhin, dass Menschen zusammenkommen und sich ehrenamtlich engagieren.

 

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