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„Das ist ja wirklich in einer Kirche!“

Von Nadine Albach

Es geht ums Ganze. Anders kann man es wohl nicht beschreiben – schließlich beschäftigen sich Poetry- und Science Slam in der Reinoldikirche im Themenjahr 2015 mit nichts geringerem als unseren Bildern und Vorstellungen von Himmel und Hölle. Susanne Karmeier, Stadtkirchenpfarrerin an St. Reinoldi, organisiert den wortgewaltigen Wettstreit in Kooperation mit dem Ev. Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe e.V. und der Agentur Luups (Dortmund).

 

Pfarrerin Susanne Karmeier

 

Sie haben auch schon zum Jahresthema „Kirche und Politik“ einen Poetry-Slam angeboten. Was ist Ihre Erfahrung – wer kommt dahin?

Beim ersten Poetry-Slam in der Reinoldikirche kam ein sehr gemischtes Publikum - Anfang zwanzig aufwärts,  kirchennah, aber auch ganz kirchenfern. Junge Leute kamen durch die Turmtür in der Kirche und sagten ganz überrascht und auch ein wenig erschrocken: „Das ist ja wirklich in einer Kirche!“. Und direkt danach wünschte eine ältere Dame ihr gewohntes Sitzkissen und ein Hörgerät. Da habe ich gedacht: Genau das ist es – diese Mischung ist großartig! Die Kirche war voll und es wurde viel und laut gelacht. Manches ging unter die Haut.

 

Warum fokussieren sich die Slams auf „Himmel und Hölle“ – gerade auch im Zusammenhang mit dem Jahresthema?

Himmel und Hölle sind zentrale Bilder, die sich von den Ursprüngen biblischer Erzählungen durch die Kirchen- und Menschheitsgeschichte bis heute ziehen. Himmel und Hölle stehen für Orte der Glückseligkeit oder der Verdammnis und Finsternis – Orte ganz nah oder ganz fern von Gott. Dabei geht es auch um Leben oder Tod.  Auch die Reformation ist mit diesem Thema verbunden: Martin Luther fürchtete sich vor Teufel und Hölle, lebte – wie viele Menschen seiner Zeit - in ständiger Angst vor einem strafenden Gott und den Qualen des Fegefeuers. Zur Entlastung bot die Kirche Wallfahrten und Ablässe an. Für Luther war das ein Zündfeuer für die Reformation. Zuvor hat er, angeregt von Paulus, Himmelserfahrungen gemacht. Grund genug, die Vorstellungen von Himmel und Hölle in diesem Jahr zu thematisieren.

 

Warum glauben Sie, dass „Himmel und Hölle“ die Slam-Besucher interessieren?

„Kommt meine Katze in den Himmel?“ „Zum Teufel mit dir!“ „Dich schickt der Himmel!“ „Das ist die Hölle auf Erden.“ Himmel und Hölle – die meisten von uns haben doch ihre ganz eigenen Bilder und Vorstellungen dazu im Kopf oder benutzen sie im Alltäglichen auch unbewusst. Sie sind noch immer aktuell. Was meinen wir eigentlich, wenn wir davon reden? Wo kommen die Gedanken her? Worauf gehen sie zurück? Was steckt dahinter? Ich finde es interessant, darüber etwas unterhaltsam und kurzweilig, poetisch oder aus wissenschaftlicher Perspektive - hoffentlich auch quergesagt - zu hören. Und wir hoffen, dass auch die Slammer, die sonst ja kein Thema bekommen, „Feuer fangen“ und es spannend finden. Ich bin jedenfalls gespannt, was sie mehr reizt – der Himmel oder die Hölle.

 

Können Sie noch kurz etwas zum Ablauf der beiden Abende sagen?

Beim Poetry Slam präsentieren jungen Autorinnen und Autoren selbstgeschriebene Lyrik oder Prosa und wetteifern live mit ihren Himmels- und Höllen-Texten um die Gunst des Publikums. Sie haben drei bis fünf Minuten Zeit, haben sich selbst und ein Mikro. Einer der bekanntesten Slammer in der Republik, der Bochumer Sebastian23, wird den Abend moderieren.  Beim Science Slam nutzen Studierende, Nachwuchsforscherinnen und Wissenschaftler zehn Minuten Zeit, um auf unterhaltsame Art und Weise ihre Erkenntnisse zum Thema leicht verständlich auf die Bühne zu bringen. Ihnen sind alle Hilfsmittel erlaubt: Requisiten, Live-Experimente, Powerpoint, Ausdruckstanz... Die Moderation übernimmt der Künstler und Musiker Jerome Vazhayil. An beiden Abenden entscheidet das Publikum am Ende per Applaus darüber, wer ihnen am besten gefallen hat und darum als Sieger nach Hause geht.

 

Fakten:

Science Slam, Montag, 26.10.2015
Beginn: 20.15 Uhr, Einlass: ab 19.30 Uhr

Eintritt  9 Euro, Schüler und Studierende 7 Euro; Karten im reinoldiforum.

(Der Poetry Slam fand am  26.01.2015 statt)

 

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