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"Wir müssen neue Ausdrucksformen finden"

Von Nadine Albach

Neun Künstler, neun Sichtweisen, neun Impulse: Neue Bilder für den Glauben hat die Stadtkirche St. Georg in Lünen für die Ausstellung „Reformation. Bild. Bibel“ zum Jahresthema gesucht. Über den Schaffensprozess und die Werke spricht Pfarrer Udo Kytzia, der  das Projekt gemeinsam mit dem Fotografen Jürgen Evert organisiert hat.

Das fünte Gebot, interpretiert von Heinz Brückaus Lünen.

 

Neun Künstler haben sich an der Ausstellung beteiligt: Was war Ihre Vorgabe?

Die Vorgabe war, das Jahresthema zu reflektieren und herauszufinden, welche Bilder Glaube heute haben kann. Wir haben das Projekt im Herbst ausgeschrieben und die interessierten Künstler dann zu einem Kolloquium eingeladen. Für die, die tatsächlich mitgemacht haben, folgte dann ein langer Prozess der Reflektion, den wir sehr intensiv und mit vielen Gesprächen begleitet haben.

 

War es schwierig, Künstler zu finden, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollten?

Nein. Wir haben eine große Offenheit von Seiten der Künstler gespürt. Viele wollten herausfinden, ob das etwas für sie ist. Und es gab auch Künstler, die gesagt haben, dass sie nicht mitmachen wollen. Aber für die, die sich auf den Prozess eingelassen haben, war es eine große Bereicherung.

 

Haben Sie die Künstler nur beraten – oder sogar Einfluss genommen?

Einfluss genommen nicht – es war eine Begleitung. Uns war ja gerade wichtig, dass es ein offener Prozess ist und die Künstler frei sind in ihrer Gestaltung. Wir haben mit den Künstlern vielmehr darüber gesprochen, was Glaube für sie bedeutet und womit sie sich beschäftigen wollen. Das waren spannende Diskussionen über die Grundthemen des evangelischen Glaubens.  Es ging um Rechtfertigung, um Gnade – alte Worte zwar, aber daran, dass wir viel über sie debattiert haben, merkt man, dass die die Themen höchst aktuell sind. Wir beschäftigen uns heute also gar nicht mit grundsätzlich anderen Fragen – wir müssen nur neue Ausdrucksformen dafür finden. Es ging insbesondere um die Frage, wie man heute den eigenen Glauben, die Skepsis und den Zweifel darstellen kann.

 

Kritische Auseinandersetzung möglich

 

Kritik war also auch eine Option?

Auf jeden Fall. Es war Teil der Intention, dass eine kritische Auseinandersetzung möglich ist. Wenn man Glaubensfragen reflektiert, kann man keine Lösung vorgeben – weder bei der Gestaltung noch bei der Auswahl des Themas. Die Künstler sollten frei sein.

 

Was hat dieser Prozess ergeben – welche heutigen Bilder für den Glauben haben die Künstler gefunden?

Es gibt keine vollmundigen Antworten, sondern eher fragende Objekte, die auch die Möglichkeit offen lassen, den eigenen Zweifel einzubeziehen. Hauptsächlich ist Malerei zu sehen, aber auch Drucke und drei Skulpturen. Ein Objektkasten, in dem ein Unterarmknochen, ein Nagel sowie ein Stück Holz liegen, versucht den Spagat zwischen Karfreitag und Ostersonntag und stellt die Frage nach der Auferstehung. Eine weitere Arbeit beschäftigt sich mit dem fünften Gebot: „Du sollst nicht töten“. Ein Luther-Portrait sucht die Verbindung von Gestalt und Inhalt, indem es die Thesenanschläge aufgreift. Auch ein Bildtafeln zum „Vater Unser“ sind zu sehen. Außerdem kommen Kreuze häufiger vor – das fand ich sehr spannend, da wir ja nichts vorgegeben hatten.

 

Eigene Sichtweise

 

Würden Sie also aufgrund dieser Erfahrung sagen, dass auch in der zeitgenössischen Kunst in der Auseinandersetzung mit dem Thema Glauben das Kreuz DAS Symbol ist?

Ich würde es so formulieren, dass die Künstler ein tradiertes Symbol nehmen und zu einer eigenen Sichtweise kommen. Es gibt zum Beispiel ein Triptychon, in dessen Mitte zwar ein Kreuz zu sehen ist – aber Jesus hockt davor, neben sich einen Rollstuhlfahrer und eine Person, die sich eventuell gerade auf ihre Freiheit zubewegt.

 

Welche Reaktionen gab es auf die Arbeiten?

Wir haben die Ausstellung in einem Werkstattgespräch und in Bildergottesdiensten begleitet und das Interesse war sehr groß. Das galt aber auch für die Künstler untereinander, die es sehr begrüßt haben, den Prozess der anderen mit zu beobachten. Das hat viele berührt, weil es noch einmal eine ganz andere Ebene der Auseinandersetzung war.

 

Was hat Ihnen die Arbeit an der Ausstellung gebracht?

Wir haben schon oft Ausstellungen gezeigt, aber dieser intensive Prozess bei der Schaffung von etwas Neuem war etwas Besonderes.

 

Sie sagen, Sie haben viel über den Glauben diskutiert – hat das auch Ihre Form des Glaubens verändert?

Das geschieht eigentlich bei jeder Ausstellung. Ich begebe mich gern in einen solchen Reflektionsprozess zu verschiedenen Themen des Glaubens. Immer, wenn es um Fragen des Glaubens geht, ist es sehr fruchtbar, sie in der Relation zu Bildern zu diskutieren.

 

Was können Bilder denn, was Worte vielleicht nicht können?

Sie ermöglichen die Reflektion auf einer anderen Ebene, die unabhängig von Texten und Worten ist. Bilder sind ein anderes Medium, um sich mit theologischen und existentiell menschlichen Fragen zu befassen.  Es ist aber auch höchst fruchtbar für biblische Texte und Themen, eine Korrelation mit spannenden Bildern herzustellen – dadurch erscheint Altvertrautes in neuem Licht.

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 30. April 2015, 12 Uhr, in der Stadtkirche St. Georg in Lünen zu sehen.

 

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