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Hat Religion Zukunft?

Von Uwe Bitzel

„Gottlos glücklich“, so der Slogan, kann man auch in der Pauluskirche sein. Denn das Streitgespräch zur Zukunft von Kirche und Religion lockte manche ins Gotteshaus, die weder mit Kirche noch mit Religion etwas am Hut haben. Der liberale Theologe Prof. Dr. Klaus-Peter Jörns diskutierte mit Dr. Michael Schmidt-Salomon, laut „Spiegel“ der „Chefatheist Deutschlands“, über Verweltlichung und Religion genauso wie über die Verweltlichung der Religion.

Diskutierten über die Zukunft der Kirche: Prof. Dr. Klaus-Peter Jörns (2.v.l.) und Dr. Michael Schmidt-Salomon (re). Eingeladen hatten Pfarrer Friedrich Laker (2.v.r.) und Jens Kamschneider von der FH Dortmund (li). Foto: Stephan Schütze


Ein „spannender Abend“ sollte es werden, wie es in seiner Begrüßung Pfarrer Friedrich Laker versprochen hatte. Veranstalter waren Paulus Kirche und Kultur sowie die Fachhochschule Dortmund.

Den Aufschlag machte Schmidt-Salomon, der sich lieber als „evolutionärer Humanist“ bezeichnet, mit der deutlichen Ansage, Religion würde verweltlicht und marginalisiert. Sein Beleg: vor einem halben Jahrhundert habe es in der deutschen Bevölkerung eine winzig kleine Gruppe von einem Prozent Konfessionsloser gegeben, heute seien es bereits 34 Prozent. „Die Konfessionslosen sind die größte Bevölkerungsgruppe.“ Noch beeindruckender sei die Entchristlichung. Frage man bei Kirchenmitgliedern das christliche Glaubensbekenntnis ab, so erhalte man lediglich eine Zustimmung von 30 Prozent der Befragten.

Rückbesinnung auf den Ursprung

Dafür hat Jörns Verständnis. Denn auch er „betet dieses Glaubensbekenntnis nicht nach“. Es sei eine Sammlung, die im Laufe der Kirchengeschichte immer mehr dogmatisiert worden sei. Heute sei sie „total daneben“. Ebenfalls daneben sei die Prognose von Schmidt-Salomon. Es zeige sich nämlich keine Entchristlichung in der Gesellschaft, sondern eine Rückbesinnung auf den Ursprung, auf Jesus. „Der Überbau, der über ihn gesetzt wurde und ihn buchstäblich widerrufen hat, wird jetzt mit einiger Energie abgeräumt.“ Die „Offenbarungsvorstellung“ und „Vergötzung der Schrift“ gehören für ihn dazu. Jörns plädierte dafür, das Historische und evolutionär Gewordene der Religion nicht als ihren Kern misszuverstehen.

"Ihnen brechen die Leute weg"

Schmidt-Salomon gab zu, dass sich die Theologie im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt hat. Sein Vorwurf an die liberale Theologie:  „Vom Kernbestand des Glaubens bleibt nichts mehr übrig, wenn man die Erkenntnisse der modernen Physik und Ethik akzeptiert.“ Der bloß simulierte Glaube trete an die Stelle des wirklichen Glaubens. „Ihnen brechen die Leute weg.“

Wegbrechen würde überhaupt nichts, so Jörns. Im Gegenteil. „Die liberalen Theologen machen mittlerweile die Zentren der Gemeinden aus.“  Das Christentum müsse die Theologie von früher weiterentwickeln. Eine Chance sieht er in „Häusern der Religionen“ wie in Bern. Hier könne ein Dialog der Kulturen und Religionen stattfinden. Dass man dafür nicht bis nach Bern reisen muss, verdeutlichte Pfarrer Laker: „Wir in der Gemeinde möchten eine Erneuerung der Religion. Wir möchten niemandem mehr etwas aufdrängen, sondern wollen, dass sich die Menschen selbst einbringen.“ Dass dieses Konzept funktioniert, hat auch der Diskussionsabend gezeigt – in einer vollen Pauluskirche.

 

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