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Heilig - zumindest ein bisschen

Von Nadine Albach

Heilig. Das klingt vollkommen, unerreichbar, distanziert. Das Ausstellungsprojekt „Saints“ hingegen kratzt ab September in St. Reinoldi an diesem Bild und macht ganz normale Menschen zu Heiligen – zumindest ein bisschen.

Jeder Mensch trägt etwas Heiliges in sich - ein Portrait aus der Ausstellung "Saints". Foto: Nils Laengner

 

„Wenn jeder Mensch von Gott geschaffen wurde, dann hat jeder in sich eine Würde und Bedeutung. Er trägt in diesem Sinne etwas Heiliges in sich, weil er einzigartig ist“, findet Tom Laengner und hat diese Überzeugung im künstlerischen Team mit seiner Frau Ulrike und seinem Sohn Nils in das Projekt „Saints“ umgemünzt. Seit Monaten schon fotografiert Nils Laengner Menschen, die in Dortmund leben, vor einem goldenen Kreis auf schwarzem Grund – inspiriert von den Heiligenbildern aus der orthodoxen Ikonenmalerei. Alt und Jung, Mann und Frau, Friseur und Politiker: die Bandbreite der bislang 30 Portraitierten ist groß.

Jeden als Menschen sehen


Ein besonderer Schwerpunkt des Projekts liegt allerdings auf Flüchtlingen. Denn „Saints“ will vor allem eines: Menschen als Individuum wahrnehmen, die Wertschätzung erfahren, ohne, dass es dafür nötig ist, eine Schublade aufzuziehen. „Lasst uns doch dahin kommen, dass wir uns als Menschen sehen und nicht allein deshalb nett zueinander sind, weil jemand ein Flüchtling ist oder eine Behinderung hat“, sagt Tom Laengner.

Deswegen haben er und sein Team auch eine Entscheidung getroffen: Wenn die Ausstellung am 24. September in St. Reinoldi eröffnet, werden die Besucher nur die Portraits sehen – und nicht die jeweilige Lebensgeschichte dazu lesen können. „Warum? Soll das meinen Voyeurismus bedienen? Und was bedeutet es auch für die Dargestellten, ihre persönlichen Erlebnisse vor allen offenzulegen?“ Laengner selbst weiß natürlich, welcher Mann der ehemalige Kindersoldat ist und welche Frau verzweifelt darauf wartet, dass auch ihre Kinder einreisen können. Die Ausstellung aber soll einen möglichst unverstellten Blick bieten, der nicht durch Vorabinformationen und Einsortierungen getrübt ist. Mensch schaut auf Mensch. Was dann geschieht, kommt aus uns, konfrontiert uns mit eigenen Vorurteilen, Zuschreibungen, Ressentiments. „Sich damit auseinanderzusetzen, bietet die Chance, innerlich zu wachsen“, sagt Tom Laengner.

Vorschusslorbeeren von Jesus


Er und seine Familie arbeiten seit Jahren an dem Projekt: 2006 hatten sie zur Fußball-WM einen riesigen, internationalen Gottesdienst auf dem Dortmunder Friedensplatz organisiert. Im Jahr darauf gab es eine kleinere Fortsetzung am Stadtgarten. Tom Laengner hatte zuvor Jesus‘ Bergpredigt gelesen und beeindruckt darüber nachgedacht, wer sie damals wohl gehört haben mag: „Jesus hat diese Menschen mit unheimlichen Vorschusslorbeeren bedacht. Er hat ihnen vertraut und ihnen gesagt, wie toll sie sind. Ich habe mich gefragt, wie man Menschen heute so etwas mitgeben könnte?“ Das Fotoprojekt war seine Antwort.

Wunderbar sind deine Werke


Um den Portraitierten aber eben jenes Gefühl zu geben, angenommen und respektiert zu werden, haben sich die Laengners Unterstützung aus der Bibel geholt: Beim Shooting im Studio lesen die Fotografierten Verse aus der Heiligen Schrift – darunter folgenden Psalm: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ Worte, die berühren und die einen Nachhall in den Gesichtern hinterlassen. Ein alter Mann etwa, der zunächst höchst skeptisch war, ob er überhaupt mitmachen sollte, „hat einen Ausdruck, der zeigt, dass er das Gelesene verinnerlicht hat“, erzählt Tom Laengner.

Aus sich heraus gehen


Aus drei Perspektiven – von vorn, rechts, links - werden die Menschen fotografiert. In jeder Position lesen sie etwas anderes, dass sie zuvor nicht kennen. Und spätestens beim dritten Bild gehen die meisten ganz authentisch aus sich heraus. Denn dann tragen sie etwas vor, das nicht mehr aus der Bibel kommt – sondern sollen ein Wort hinausrufen, das aus dem Inneren kommt: „Juchuh!“

 

Die Ausstellung eröffnet am 24. September, 19 Uhr, und ist bis zum 25. Oktober zu sehen. Weitere Informationen hier.

 

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