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Der menschliche Blick in der Flüchtlingskrise

Von Nadine Albach

Die Fotoausstellung „Saints“ macht ganz normale Menschen zu Heiligen. Die Würde und der Wert jedes Einzelnen stehen im Fokus der Portraits, für die unterschiedlichste Menschen vor die Kamera getreten sind – darunter auch Flüchtlinge. Die Ergebnisse sind ab dem 24. September in St. Reinoldi zu sehen. Superintendent Ulf Schlüter hat sich für das Projekt des Kreativteams rund um den Fotografen Nils Laengner stark gemacht – und erklärt im Interview seine Begeisterung.

 

Flyer zur Ausstellung Saints. (Grafik: Linda Opgen-Rhein, Fotos: Nils Laengner)

 

Wer ist für Sie eine Heilige oder eine Heilige?

Jeder Mensch! Natürlich kann man diesen Begriff unterschiedlich definieren, entscheidend ist aber: Die Würde des Menschen ist, wie es das Grundgesetz sagt, unantastbar. Wir als Christen betrachten den Menschen als Ebenbild Gottes. Das macht seine Heiligkeit aus. Und die gilt für ausnahmslos jeden – es gibt keine Unterscheidungen nach Herkunft, Geschlecht, Alter oder sonstigen Kategorien.

 

Hat Ihnen deshalb das Konzept von „Saints“ so zugesagt, weil eine große Bandbreite von Menschen fotografiert wird?

Ja. Mir hat gefallen, dass die Laengners das Projekt bereits mit Passanten beim Kirchentag in Dresden erprobt haben – besonders überzeugend fand ich aber die Verknüpfung mit dem Thema Flüchtlinge. Anders, als in der aktuellen Debatte, stehen damit eben einmal nicht die vermeintlich bedrohlichen Ströme im Mittelpunkt, sondern die Menschen mit ihrer ganz eigenen Geschichte. Die Ausstrahlung, Persönlichkeit und Würde jedes Einzelnen drückt sich unmittelbar in den Bildern aus – die so auf positive Art und Weise irritieren.

 

Ist genau das für Sie problematisch in der aktuellen Flüchtlingsdebatte – dass der Einzelne nicht mehr wahrgenommen wird?

Ja, denn oft wird nur von der Menge an Flüchtlingen gesprochen mit Begriffen wie Strom oder Flut, die klar entmenschlichen. Uns als Kirche ist wichtig, dass wir immer wieder auf den Einzelnen schauen. Zum Beispiel hatten wir kürzlich Kontakt mit einer syrischen Familie, deren Geschichte einfach atemberaubend und schrecklich ist. Wenn man mit so einem Schicksal konfrontiert ist, wird einem aber zugleich deutlich: Das sind Menschen wie Du und ich – dasselbe könnte auch mir passieren.

 

Allerdings wird die Geschichte der Menschen in der Ausstellung bewusst nicht erzählt: Wird Ihnen das fehlen?

Nein, der Grund dafür leuchtet ein: Die Schönheit des Menschen, das Interessante und Individuelle ist auch ohne diese Informationen sichtbar. Es geht ja nicht darum, einen Mitleidseffekt zu erzeugen. Die Bilder wirken für sich und fordern zum Nachdenken heraus.

 

Während des Fotografierens haben die Portraitierten eine Bibelstelle gelesen: Kennen Sie das aus eigener Erfahrung, dass eine solche Passage ein inneres Leuchten erzeugen kann?

Ja. Es kommt ja immer wieder vor, dass wir uns nur kleine Passagen aus der Bibel herauspicken – eigentlich in jeder Predigt. Diese Texte haben das Potential, zu irritieren, etwas auszulösen oder vielleicht sogar zu erleuchten. Das kann passieren!

 

"Saints" ist vom 24. September (Eröffnung: 19 Uhr) bis zum 25. Oktober in der Stadtkirche St. Reinoldi zu sehen. Den Flyer zum Download gibt es hier.

 

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