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"Wir zappeln weiter, so lange es geht"

Von Nadine Albach

„Wenn jemand sieht, was hier los ist, sind wir vor Eindringlingen nicht mehr sicher.“ Die beiden Nonnen rutschen hin und her auf ihrer Bank und schauen zwischendurch unsicher in die Kamera. Sie sind die letzten beiden Bewohnerinnen des Klosters Maria Steinach in Südtirol. Für den Film „Wir können nicht den Himmel träumen“ hat Regisseurin Carmen Tartarotti sechs Jahre lang ihren Kampf um Unabhängigkeit begleitet. Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund Köln zeigt die Dokumentation.

Wir können nicht den hellen Himmel träumen (Bild: Carmen Tartarotti)

Szene aus "Wir können nicht den hellen Himmel träumen". (Bild: IFFF Dortmund | Köln / Carmen Tartarotti)

 

Der Friedhof steht voller Kreuze und Bilder, die Gewänder in der Kleiderkammer werden langsam grau. Von den anfänglich noch 18 Dominikanerinnen sind nur noch zwei übrig: Schwester Benvenuta und Schwester Angelika, die auch leibliche Schwestern sind. Voller Eigensinn und Kampfgeist versuchen sie, den Klosterbetrieb aufrecht zu erhalten. Und das bedeutet alles andere als stille Einkehr und Besinnung: Täglich drei Mal muss eine von ihnen das „Ave Maria“ an der Glocke läuten, Gemüse und Obst will geerntet, alle Kammern sauber gehalten werden - und zwei Mal im Jahr geht es an die 126 Fenster. Ein Knochenjob. Doch obwohl die betagten Schwestern die Treppen nur noch schwerlich hochkommen und sich immer wieder ächzend in die Hüften fassen – aufgeben ist für sie keine Option. „Wir bleiben hier. Wir haben hier unser ganzes Leben verbracht und unsere Kräfte dafür eingesetzt.“

Es ist ein sehr intimer, ungewöhnlicher Einblick, den die beiden Nonnen Carmen Tartarotti in eine sonst verborgene Welt gewähren: Anfangs wirken sie noch distanziert und verunsichert, sprechen sogar davon, die Bilder noch nicht freigegeben zu haben – doch nach und nach scheint es, als würden Filmemacherin und Kamera zu liebsamen Begleitern und ersehnten Ansprechpartnern. Unverstellt wirken die Aufnahmen, authentisch. Carmen Tartarotti fängt ein, wie die Schwestern mal trotzig, mal selbstvergessen ihren Alltag bewältigen.

 

Menschenleere Gänge

 

Und dieser Alltag ist weit weg von allem Herkömmlichen: Internet, Handys, ja auch Hektik gibt es hier nicht. Der Zuschauer muss sich einlassen auf den Takt dieses Seins. Immer wieder sieht man eine der Nonnen durch einen menschenleeren Gang gehen, ohne Eile, aber zielgerichtet. Wie ein Uhrwerk. Nur ab und zu durchbricht das laute Klingeln den geregelten Tagesablauf, wenn jemand von außen sich fast wie ein Eindringling bemerkbar macht, um Obst oder Gemüse zu kaufen. Die Schwestern reichen es durch eine kleine Luke hinaus, legen das Geld in eine Holzschublade und notieren die Einkünfte in schnörkeliger Schrift. Es sind Details wie diese, mit denen Carmen Tartarotti unaufdringlich zeigt, wie anders diese Welt ist. Die sehr zurückhaltende Kamera, oftmals mit festen Ausschnitten, unterstützt das Gefühl, dass hier jemand begleitet und beobachtet – nicht inszeniert und bloßstellt.

 

Komödiantische Momente

 

Bei aller Nachdenklichkeit, die die Schwestern immer wieder erfasst, überrascht der Film aber auch mit fast komödiantischen Momenten: Freimütig gibt eine der Schwestern zu, wie froh sie ist, dass der Alltag aus Arbeiten UND Beten besteht – „nicht nur Beten! Sonst schnapp‘ ich ja über!“ Höchst amüsant auch, wie eine von ihnen kräftig an einem Teig knetet und dabei ungerührt erklärt, er müsse sich anfühlen „wie die Brust einer Frau mittleren Alters“. Der Film berührt gerade durch diese Ehrlichkeit.

„Wir müssen weiterzappeln, so lange es geht.“ Am Ende sitzen die Schwestern wieder auf der Bank, eng nebeneinander, die Hände in ihrem Ornat versteckt, den Blick nachdenklich gesenkt. 

 

„Wir können nicht den hellen Himmel träumen“ ist am Sonntag, 19. April, 14 Uhr in der Schauburg zu sehen. Weitere Informationen zum Festival unter www.frauenfilmfestival.eu

 

 

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